Wednesday, 24 September 2008

Bayernwahl 2008: Zeit wird's für ein Ende der CSU-Alleinherrschaft

Seit dem großen Stoiber'schen Wahlsieg 2003 hat es die CSU mitsamt ihrem Führungspersonal geschafft, das Vertrauen selbst in weiten Teilen der vermeintlich treuen Stammwählerschaft zu verspielen und muss inzwischen zum ersten Mal seit 46 Jahren einer möglichen Wahlniederlage ins Auge sehen. Aus einer satten Mehrheit von über 60 % und einer Zweidrittelmehrheit (124 von 180 Abgeordneten; 68,89 % der Sitze) im Landtag ist ein an das Erreichen der 50 %-Marke geknüpfter "Überlebenskampf" um den Mythos der erfolgreichsten europäischen Volkspartei CSU, die auch auf Bundesebene deutlich mitzureden hat, geworden.

Nach jüngsten Umfragen ist am Sonntag selbst ein Verlust der Mehrheit im Landtag vorstellbar, wodurch es zur Notwendigkeit einer Koalitionsbildung kommen könnte. Die Freien Wähler und die SPD kämen theoretisch dafür in Frage, am wahrscheinlichsten wäre allerdings eine Koalition mit der FDP, die sich im Wahlkampf bereits aktiv für diese Position anbietet.

Abgesehen davon, dass sich so mancher, einschließlich der bisherigen Landtagsopposition (SPB und Grüne), einen deutlicheren Kurswechsel erhoffen würde, als ein CSU-FDP-Bündnis verspricht, stünde auch dieses für Bayern für einen epochalen Wandel und den Beginn vom Ende des Monopols der CSU auf die politische Macht in Bayern. Dies wäre ein Verdienst der gesamten Opposition und der sie unterstützenden Wähler.

Wettbewerb belebt ja bekanntlich das Geschäft. Im Umkehrschluss hilft dies auch den aktuellen Zustand der CSU und der bayerischen Staatsregierung einschließlich der einzelnen Ressorts zu erklären. Seit Jahrzehnten ist bereits der Eintritt in die CSU gleichbedeutend mit dem Streben nach Macht und Ämtern, die entsprechend innerparteilicher Hierarchien vergeben werden. CSU-Politikern fehlt die harte Schule der Oppositionsarbeit und die Erfahrung in Bayern einer Minderheit anzugehören. Ein Stück weit mag manchem auch das Rückgrat fehlen, die Stellung zu halten, wenn die Gegenseite einmal vorne liegt. Die spürbare Angst in der CSU über den Machtverlust rührt auch daher, dass sie sich in Bayern nicht als Koalitionspartner oder gar als Opposition zu gerieren gelernt hat und befürchtet, dabei nicht ganz so gut auszusehen.

Einerseits würde dies die unterschwellige These der CSU, dass Bayern ohne sie (als Alleinherrscherin) nicht mehr Bayern wäre bzw. seinen einzigartigen Charakter und seine führende Rolle in Deutschland verlöre, entkräften und die Frage nach des Kaisers neuen Kleidern würde spätestens bei seiner Abdankung aktuell. Andererseits wurde die überwiegende Mehrzahl aller politisch zu vergebenden Posten in Staatskanzlei und Ministerien in Bayern 46 Jahre lang an Mitglieder der "richtigen" Partei vergeben, wodurch man dort auch etwas im eigenen Süppchen kochte und meinte, dass dies immer so bleiben würde. Daraus resultierend fehlt Vielen in der CSU heute zu einem gewissen Grad die kontextuale Intelligenz, also die Fähigkeit, bei wechselnden Rahmenbedingungen die richtigen Antworten und Lösungen zu finden. Während sich traditionelle Millieus auflösen und sich die Gesellschaft wandelt hat es die CSU aus ihrer Position der Stärke und Selbstherrlichkeit versäumt, Schritt zu halten und am Puls der Wähler zu bleiben.

Die bloße Anwesenheit von ranghohen staatlichen Funktionsträgern aus einer anderen bzw. aus anderen Parteien dürfte dafür sorgen, die CSU in der Regierung zu disziplinieren und im Sinne von checks and balances neben einer wiedererstarkten Opposition im Landtag zu kontrollieren.

Die CSU steht gerade erst am Anfang eines Identitätsfindungsprozesses, der durch ein Absinken unter die 50%-Marke am Sonntag noch weiter an Fahrt beschleunigen würde. Am Ende wird sich herausstellen, dass die CSU auch nur mit Wasser kocht und ebenso wie andere Parteien demokratischen Regeln einschließlich der Möglichkeit, abgewählt werden zu können, unterworfen ist.


Synopsis: The CSU, the Christian Social Union, has held a majority of seats in the state legislature and thus provided the governor of the German federal state of Bavaria for the better part of five decades. Leading posts in all ministries have subsequently become heirlooms of the party and the CSU, for all its successes, has become complacent and overconfident with regards to "its" electorate. The behaviour and mismanagment exhibited by the CSU since its last election victory 5 years ago shows that is lacks the contextual intelligence and connection with voters they would need to stay in their dominant position. Increasingly, it has become clear that the emperor really has no clothes. The sooner power is shared in Bavaria, the better. It is time.

Monday, 15 September 2008

Deutschland bremst EU-Kandidatur der Ukraine. Historische Chance vergeben

Am 9. September hat es die EU nicht zuletzt auch auf deutsches Betreiben hin vermieden, der Ukraine eine unmissverständliche Beitrittsperspektive in die EU zu eröffnen. Deuschland hat damit eine wichtige Gelegenheit ungenutzt gelassen, den demokratischen Reformprozess sowie die mit ihm assoziierten gesellschaftlichen Gruppen und die weitere Annäherung der Ukraine an Europa zu stützen.

Dabei ist es gerade die "soft power" der EU bzw. Deutschlands, die hier vermehrt gefragt ist und eingesetzt werden sollte. Die Anziehungskraft europäischer Werte und Institutionen sollte, insbesondere auch gegenüber der Ukraine, auch im eigenen Interesse dringend aufrechterhalten werden. Demokratische Verhältnisse, wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität in der Ukraine sind energisch weiter zu fördern. Das historische Beispiel für die sich bietenden Chancen liefert der Marshallplan, der aus heutiger Sicht eine gute Investition und kein Subventionsprogramm war. Diese Sichtweise muss sich in einigen EU-Ländern aber zum Teil in Bezug auf Osteuropa und die ehemalige Sowjetunion erst noch durchsetzen.

Nun gilt es, die anvisierten Abkommen über Zoll- und Visumsfreiheit mit der Ukraine konstruktiv und im Geiste der Partnerschaft und Kooperation zügig voranzubringen, damit der europäisch-ukrainische Annäherungsprozess nicht an Dynamik verliert. Dabei kann und sollte Deutschland eine von Weitsicht geprägte Rolle übernehmen, die diesem Ziel zumindest nicht im Weg steht.